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Preisträger 2011: Dr. Tobias Schütz für seine Dissertation in Hydrologie

Solute Transport Dynamics in Constructed Wetlands - Studien zur Dynamik des Stofftransports in künstlichen Feuchtflächen

 

Der gute ökologische Zustand von Oberflächengewässern wird durch den Eintrag diffuser Schadstoffe aus der Landwirtschaft zunehmend belastet. Der Abbau landwirtschaftlicher Schadstoffe, wie z.B. Pestizide, kann durch natürliche Abbauprozesse in künstlichen Feuchtflächen oder dicht bewachsenen Bächen in den Quelleinzugsgebieten erreicht werden. Daher gilt es zunächst, Funktion und Abbaueffizienz dieser Feuchtflächen besser zu verstehen. Vor allem die Untersuchung der wechselseitigen Wirkungen von Feuchtflächen-Hydraulik, Geomorphologie und Bewuchs auf den Transport konservativer und nicht-konservativer Stoffe ist hierbei von zentraler Bedeutung. Im Rahmen der Dissertation „Studien zur Dynamik des Stofftransports in künstlichen Feuchtflächen“ wurden dazu vier verschiedene Ansätze entwickelt und getestet:

Im Rahmen der ersten Studie wurde eine innovative, künstliche Tracermethode entwickelt und getestet: Die räumliche Beobachtung von pulsweise injiziertem erhitztem Wasser mittels tragbarer thermografischer Systeme. Ziel der Untersuchung war hierbei  die räumliche Verteilung von Fließwegen, Fließgeschwindigkeiten und der hydrodynamischen Dispersion in einer Experimental-Feuchtfläche zu verstehen. Mittels der eingesetzten Tracertechnik konnten die Verteilung der Fließwege in der Feuchtfläche visualisiert und die Fließbedingungen quantitativ bestimmt werden. So ließ sich nachweisen, dass insbesondere die räumliche Dynamik konservativer Transportmechanismen wie etwa Fließgeschwindigkeit und hydrodynamische Dispersion, in Korrelation zu den Randbedingungen wie Abfluss oder der betrachteten Position innerhalb der Feuchtfläche, steht. Die kombinierte Veränderung der Randbedingungen zeigte eine deutliche Verstärkung der beobachteten Zusammenhänge.

Der Stofftransport in Feuchtflächen und bewachsenen Gräben kann durch versteckte Quellen, wie z.B. Drainagen oder räumlich begrenzte Grundwasserzuströme, stark verändert werden: So können Verdünnungseffekte, eine Veränderung der Fließgeschwindigkeitsverteilung oder auch der zusätzliche Eintrag von Schadstoffen auftreten. Zur Analyse dieses Problems wurde im Rahmen der zweiten Studie der Einsatz tragbarer thermografischer Systeme zur berührungslosen Detektion und Quantifizierung genannter lokal begrenzter Grundwasserzuströme getestet. In zwei unterschiedlichen Quelleinzugsgebieten wurden während mehrerer Messkampagnen in Sommer und Winter erfolgreich Grundwasserzuströme und alte Drainagen detektiert und der Wasserzufluss quantifiziert. Ein großer Vorteil dieser Methode ist neben der einfachen Detektion der Quellen anhand des Temperaturunterschiedes von Oberflächenwasser und Grundwasser, die einfache Bestimmung der Durchmischungsstrecke, die für die End-Member-Analyse notwendig ist. Die beobachtete saisonale Variation der Grundwasserzutritte sowie deren berechneter relativer Anteil am Abfluss im Unterlauf von bis zu 75% zeigen die Bedeutung dieser Quellen für den Basisabfluss und den Stofftransport.

Im Zentrum der dritten Studie stand die Untersuchung des Einflusses der Vegetationsentwicklung und der Sedimentakkumulation in einer neu angelegten, künstlichen Feuchtfläche auf konservative und nicht-konservative Stofftransportprozesse.

Innerhalb der ersten fünf Monate konnte in der Versuchsfläche eine deutliche Veränderung der Hydraulik, wie auch der Stofftransportprozesse beobachtet werden: Mittels ein-dimensionaler Stofftransportmodellierung von konservativen und nicht-konservativen Tracerdatensätzen wurden eine signifikante Reduktion des aktiven Feuchtflächenvolumens sowie abnehmende laterale Austauschprozesse identifiziert. Die Sukzession der Feuchtfläche bedingte auch eine Veränderung der nicht-konservativen Stofftransportprozesse. So nahm z.B. die Sorptionsrate in den Stillwasserzonen zu und photolytisch aktive Flächen wurden reduziert. Durch die prediktive Transportmodellierung eines Tracers, der kombinierten Rückhalte- und Abbaumechanismen unterliegt, konnte die wechselseitige Reduzierung der verschiedenen Rückhalteprozesse beschrieben werden.

Die Eignung verschiedener Feuchtflächen zu Lichtabbau und deren Sorptionsverhalten wurde in der vierten Studie vergleichend betrachtet.

In sechs unterschiedlichen Feuchtflächen wurden standardisierte Tracerversuche mit künstlichen Tracern, die jeweils für einen Rückhalteprozess prädisponiert waren (Uranin für Lichtabbau und Sulphorhodamin B für Sorption), durchgeführt. Aus dem Rückerhalt der unterschiedlichen Tracer wurden diverse normalisierte Größen berechnet und für die sechs unterschiedlichen Feuchtflächen miteinander verglichen. Das Ergebnis zeigte, dass flachgründige Wassertiefen und dichte Vegetation ein Indikator für ein günstiges Sorptionsverhalten sein können, während offene Wasserflächen und längere Aufenthaltszeiten in Feuchtflächen Lichtabbauprozesse begünstigen können. In Feuchtflächen mit intermittierenden Abflüssen wurde eine Remobilisierung von Tracern beobachtet.

In der Betrachtung der Ergebnisse der ersten und zweiten Studie zeigt sich, dass die Quantifizierung der räumlichen Variabilität von Stofftransportprozessen in Feuchtflächen für das Verständnis des Stofftransportverhaltens insgesamt von besonderer Bedeutung ist. Zwar lassen sich keine allgemeinen Tendenzen festhalten, jedoch verweisen die Ergebnisse auf die Einzigartigkeit der natürlichen Fließsysteme und die Notwendigkeit verschiedene Systeme differenziert zu betrachten. Es bestätigt sich daher der Bedarf zur räumlich detaillierten Analyse einzelner Feuchtflächen, um eine Optimierung ihrer Effizienz erreichen zu können. Decken sich diese Beobachtungen mit bisherigen Erkenntnissen zu Stofftransportprozessen in Feuchtflächen, so ist die Verwendung von tragbaren thermografischen Systemen für „künstliche“ und „natürliche“ Tracermethoden viel versprechend hinsichtlich der Möglichkeit zu einer verbesserten räumlichen Datenerhebung und -Analyse für unterschiedlichste hydrologische Fragestellungen.

Die Auswertung der Ergebnisse aus Studie drei und vier zeigte, dass der Einfluss der Sukzession auf den nicht-konservativen Stofftransport einen geringeren Effekt aufwies, als die Veränderung der konservativen Stofftransportprozesse. So wurde beispielsweise der Anstieg der Sorptionsrate mit der Vegetationsentwicklung, hinsichtlich des Stoffrückhaltes von der Abnahme des lateralen Austausches überlagert. Abschließend betrachtet ist festzuhalten, dass durch die Kombination von Salzen als konservative Tracer und Fluoreszenztracern als nicht-konservative Tracer, stoffspezifische Rückhalteprozesse gut identifizierbar waren. Ebenso konnte auf diese Weise deren Interaktion mit der Sukzession bestimmt werden. Darüber hinaus ließ sich die standardisierte Anwendung kombinierter Tracer auch zur Bestimmung von Ähnlichkeiten und Unterschieden verschiedener Feuchtflächen verwenden. Für Schadstoffe, die anderen Rückhalteprozessen als den in dieser Studie berücksichtigten unterliegen, lassen sich mit diesem Verfahren nur Aussagen mit bedingter Gültigkeit treffen.

Die Ergebnisse vorliegender Arbeit vertiefen das Verständnis der Dynamik des Stofftransports und der Interaktion von Stofftransportprozessen in Oberflächengewässern. Die Bedeutung dieser Prozesse für die Analyse und die Vorhersage des Stofftransportes wurde nachgewiesen. Der Einsatz und die Effizienz künstlicher Feuchtflächen zum Abbau von Pestiziden können durch die Berücksichtigung, der im Rahmen dieser Dissertation beschriebenen Erkenntnisse über räumliche Variabilität und Wechselwirkungen konservativer und nicht-konservativer Stofftransportprozesse, in Planung und Unterhalt verbessert werden. Vor allem in landwirtschaftlichen Einzugsgebieten kann die Optimierung des Pestizidabbaus in Feuchtflächen anhand einer verbesserten Prozessbeschreibung des Schadstofftransports zur Reduktion der Pestizidkonzentrationen in Oberflächengewässern und damit zu einer Verbesserung deren Qualität beitragen.