Die vorliegende Arbeit „Prozesshydrologische Untersuchung im System Boden-Vegetation-Atmosphäre“ entstand im Rahmen des Forschungsprojektes Wasserhaushalt eines Waldes auf einem Trockenstandort und des Projektes Einsatz geophysikalischer Methoden in Verbindung mit Tracermethoden in der Abflussbildungsforschung. Gefördert wurden diese Projekte durch das Forschungsschwerpunktprogramm Baden-Württemberg (2003-2005) und das Eliteförder­programm für Postdoktoranden der Landesstiftung Baden Württemberg gGmbH (2002-2004). Das Ziel der Arbeit war es einen Beitrag zur Verbesserung des Prozessverständnisses der Wasserflüsse im System Boden-Vegetation-Atmosphäre in unterschiedlichen Skalenbereichen und Untersuchungsgebieten zu leisten. Gerade im Hinblick auf die sich abzeichnenden Veränderungen des globalen Klimasystems ist es wichtig die hydrologischen Prozesse besser zu verstehen. Dies ist eine Grundvoraussetzung zur Erstellung konzeptioneller Systemvor­stellungen und einer adäquaten hydrologischen Modellierung. Tracerhydrologische Methoden stellen ein geeignetes Werkzeug dar, um Fragestellungen der Wasserflüsse, Herkunftsräume und Abflussanteile eines Systems zu untersuchen. Allerdings lassen sich nicht alle Fragestel­lungen allein mit diesen Ansätzen beantworten. In der vorliegenden Arbeit wurden neben den klassischen hydrometrischen Messungen – wie z.B. Niederschlag, Abfluss, Bodenfeuchte und Grundwasserstand – tracerhydrologische Untersuchungen – stabile Umweltisotope und geogene Tracer – sowie geophysikalische Methoden – 2D Gleichstromgeoelektrik – einge­setzt. Durch die Kombination der Ergebnisse der experimentellen Methoden konnten wert­volle Erkenntnisse über das konzeptionelle Prozessverständnis des hydrologischen Systems Boden-Vegetation-Atmosphäre gewonnen werden. Die Bodenzone stellt für unterschiedliche Fragestellungen und verschiedene wissenschaftliche Disziplinen einen wichtigen Bilanz- und Umsatzraum dar. Aus hydrologischer Sicht sind u.a. die Prozesse der Bodenwasserbewegung, und damit verbunden die Betrachtung der zeitlichen Dynamik der Grundwasserneubildung, die Aufteilung in unterschiedliche Abflusskomponenten und Abflussbildungsprozesse sowie Wasserhaushaltsbetrachtungen und Wasserentzug durch Evapotranspiration von besonderem Interesse. Forschungsbedarf auf diesem Gebiet besteht vor allem, da das Prozessverständnis innerhalb dieser hydrologisch wichtigen Zone einen wesentlichen Schritt darstellt, um Aussagen zu Auswirkungen künftiger Veränderungen von Klima- und Landnutzung beurtei­len zu können. Die experimentellen Arbeiten wurden an der Forstmeteorologischen Mess­stelle Hartheim in Südwestdeutschland (Plotskala) und im Weatherley-Einzugsgebiet in Südafrika (Hang‑ und Einzugsgebietsskala) durchgeführt.
Der Schwerpunkt der hier vorgestellten Arbeiten lag auf einer Standortuntersuchung an der Forstmeteorologischen Messstelle Hartheim (FMIF). Der Standort stellt ein Modellökosystem für wasserlimitierende Bedingungen während der Vegetationsperiode dar. Zur Erfassung der zeitlichen Dynamik des Wasserhaushaltes wurden alle wichtigen Komponenten des Wasser­kreislaufes quantitativ untersucht. Durch eine zeitlich hoch aufgelöste Betrachtung der meteorologischen Randbedingungen und eine tiefendifferenzierte Ermittlung des Boden­wasserhaushaltes war es möglich, eine detaillierte Erfassung der Wasserbilanz durchzuführen. Die Wasserhaushaltsuntersuchungen an der FMIF bestätigten eine Tiefenversickerung in Abhängigkeit der Bodenfeuchte‑ und Niederschlagsverhältnisse. Für den Untersuchungs­zeitraum des Hydrologischen Jahres 2004 konnte aus der Wasserbilanz eine stattfindende Tiefenversickerung und somit Grundwasserneubildung (GWNB) am Standort ermittelt werden. Die aus der Wasserbilanz errechnete GWNB konnte unter Verwendung eines eindimensionalen Bodenwassermodells verifiziert werden und es war möglich, deren zeitliche Dynamik aufzuzeigen. Den Kern der tracerhydrologischen Untersuchungen bildete die Anwendung der stabilen Isotope des Wassermoleküls. Diese wurden sowohl als natürliche als auch künstliche Tracer angewendet. Isotopensignaturen des Niederschlages wurden als Inputfunktion verwendet, um Prozesse in der ungesättigten Zone zu untersuchen. Die Betrachtungen der Isotopengehalte im Bodenwasser ermöglichten Rückschlüsse auf Infiltra­tionsprozesse und ließen Aussagen zu mittleren Verweilzeiten und Verdunstungsprozessen im Boden zu. Im System Boden-Vegetation konnten durch die Verwendung natürlicher Isotopen­signale Herkunftsräume der Wasseraufnahme der Vegetation abgeschätzt werden. Der Einsatz der stabilen Isotope als künstliche Tracer lieferte wertvolle Einblicke in den zeitlichen Verlauf des Transpirationsprozesses sowie in die Infiltrationsverhältnisse am Standort. Unter Verwen­dung der stabilen Isotope in Verbindung mit Ergebnissen einer Altersdatierung konnte der Herkunftsraum des Grundwassers an der FMIF näher eingegrenzt werden. Es zeigte sich, dass das Grundwasser im Bereich der FMIF überwiegend von Randzuströmen und lokaler GWNB geprägt ist. Der Einsatz geoelektrischer Methoden ermöglichte die nicht‑invasive Erfassung von räumlichen und zeitlichen Substrat- und Bodenwasserverhältnissen. Mit Hilfe der Gleichstromgeoelektrik konnte ein zweidimensionales Abbild oberflächennaher struktureller Eigenschaften gezeichnet werden. Durch die wiederholten Messungen am selben Profilschnitt war es möglich, Informationen über die zeitliche und räumliche Variabilität der Widerstands­verteilung im Untergrund zu erhalten. Über Transferfunktionen wurden die Punktinformatio­nen der Bodenfeuchte über die gemessenen elektrischen Widerstandeswerte in räumlich aufgelöste Darstellungen der Bodenfeuchteverhältnisse überführt.
Die Untersuchungen auf der Hang‑ und Einzugsgebietsskala im Weatherley-Einzugsgebiet erlaubten unter Anwendung verschiedener experimenteller Methoden Aussagen über domi­nante hydrologische Prozesse zu treffen. Die kombinierte Anwendung unterschiedlicher experimenteller Methoden für dieselbe Fragestellung führte zu einer Verbesserung des Prozessverständnisses und der hydrologischen Modellvorstellungen. Dies ist besonders wichtig, da jede der verwendeten Methoden ihre spezifischen Einschränkungen hinsichtlich ihrer räumlichen und zeitlichen Auflösung besitzt. Die Auswertungen der hydrometrischen Zeitreihen konnte die Existenz eines für die Abflussbildung wichtigen, aufgesetzten Grund­wasserspiegels aufzeigen. In Abhängigkeit der Niederschlags‑ und Vorfeuchtebedingungen im Einzugsgebiet werden im oberen Bodenbereich laterale Abflussmechanismen aktiviert. Die Bedeutung dieser schnellen Abflusskomponente konnte durch die Anwendung von Tracermethoden mit Hilfe der Ganglinienseparation bestimmt und quantifiziert werden. Durch den Einsatz geophysikalischer Messungen konnte die Tiefenlage dieser hydrologisch wichtigen Bereiche räumlich differenziert detektiert werden. Ebenfalls war es möglich, in Kombination mit punktuellen Informationen – wie Bodenfeuchte, Grundwasser und Tiefen­lage des Festgesteines – eine Einteilung des heterogenen Untergrundes vorzunehmen. Die Ergebnisse der kombinierten Anwendungen führten zu einer Bestätigung und Verbesserung der konzeptionellen hydrologischen Prozessvorstellungen im Einzugsgebiet.

english summary: 

The presented thesis „Studies of hydrological processes in the soil-vegetation-atmosphere system“ was carried out as part of the research projects “water balance of a dry forest stand” (Wasserhaushalt eines Waldes auf einem Trockenstandort) and “Use of geoelectrical resistiv­ity methods combined with tracer techniques to explore hydrological processes” (Einsatz geophysikalischer Methoden in Verbindung mit Tracermethoden in der Abfluss­bildungsfor­schung). This study contributes to process knowledge of the water fluxes in the soil‑vegetation‑atmosphere system at varying scales and study sites. Regarding the emerging changes of the global climate it is important to understand the hydrological processes in detail. This understanding is a basic requirement for the development of conceptual models and an appropriate hydrological modelling. Tracer methods are known as appropriate tools to investigate water fluxes, source areas and runoff components of a hydrological system. However it is not possible to answer all questions with this approach. In this thesis, classical hydrometric measurements – e.g. precipitation, runoff, soil moisture and groundwater level – tracer hydrological investigations – stable isotopes and geogene tracer – as well as geophysi­cal methods – 2D direct current resistivity – were applied. Combining the results of the experimental methods, insights on conceptual process knowledge of the hydrological soil‑vegetation‑atmosphere system could be gained. The soil represents an important balance- and turnover volume for various questions and diverse scientific fields. From a hydrological point of view major questions are processes of soil water movement and related to that observation of the temporal dynamics of groundwater recharge, separation of different runoff components and runoff generation processes and water balance calculations and dewatering by evapotranspiration. The process knowledge of this important hydrological area allows further predictions on impacts of future changes in climate and land use. The experiments were carried out at the Forest Meteorological test site Hartheim in Germany (plot scale) and within Weatherley catchment in South‑Africa (hillslope‑ and catchment scale).
The main part of the presented investigations was focused on research at the plot scale at the Forest Meteorological test site Hartheim (FMIF). The test site is an ecosystem characterised by restricted water conditions especially during the growing season. To investigate the temporal dynamics of the water balance, all important components of the hydrological water cycle were quantified. Dense temporal measurements of the meteorological conditions and the soil water balance allowed a detailed water balance calculation. The water balance at the FMIF confirms a deep infiltration depending on soil water conditions and precipitation characteristics. Within the investigation period of the hydrological year 2004 deep infiltration (and groundwater recharge – GWNB) could be estimated. The calculated GWNB could be verified, and the temporal dynamic could be shown with a one dimensional soil water model. Core of the tracer hydrological investigations is the use of the stable water isotopes. Stable isotopes were used as natural and applied tracers. Isotope signatures of precipitation were used as system input function to investigate unsaturated zone processes. Isotope compositions in soil water allowed statements on infiltration processes, mean residence times and evapora­tion. In the soil‑vegetation‑atmosphere system natural isotope signals were used to estimate source areas of water uptake by vegetation. Stable isotopes were used as applied tracers to gain further insights into the temporal dynamic of the transpiration process and infiltration within the soil system. Combining stable water isotopes with age dating methods led to a better knowledge of source areas of the groundwater at the FMIF. It could be shown that the groundwater originates mainly from local precipitation and lateral inflow. The application of geophysical methods allowed a non-invasive acquisition of subsurface conditions. With the aid of electrical resistivity surveys a two dimensional picture of structural characteristics could be drawn. By time‑lapse measurements at the same profile information about the variability of the resistivity values could be gained and with transfer functions it was possible to extrapolate point values of soil moisture to a larger scale.
Investigations at the hillslope and catchment scale in the Weatherley catchment allowed conclusions on dominating runoff generation processes through the use of various experimental methods. The application and combination of different field methods at the same investigation area led to better process understanding. This was particularly useful as each method has shortcomings and limitations regarding special and temporal resolution. The Analysis of hydrometric time series showed the formation of an episodic perched water table within the soil profile. The importance of this fast component during runoff events could be verified and quantified through tracer data and runoff component separations. Geoelectrical measurements provide spatial information about this hydrological important area. A combination with point measurements – like soil moisture, groundwater and depth of bedrock – allowed classifying the heterogeneous subsurface conditions. The results led to the confirmation and refinement of a conceptual model of runoff generating processes within the catchment.

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